TikTok-Karriere-Tipps: Revolution oder Risiko für deine Bewerbung?

Veröffentlicht am von Irina Mesko

Gefährliche Halbwahrheiten: Wenn falsche Tipps deine Karriere kosten
TikTok-Karriere-Tipps: Revolution oder Risiko für deine Bewerbung?

Die neue Welle der Karriereberatung auf TikTok

TikTok ist längst mehr als nur eine Plattform für Tanzvideos und Challenges. Immer mehr Creator teilen dort Tipps rund um Bewerbung, Karriere und Gehaltsverhandlungen – oft in kurzen, einprägsamen Clips. Doch wie viel Wahrheit steckt hinter diesen Ratschlägen? Und können sie wirklich helfen, einen Job zu bekommen? Ich werfe einen kritischen Blick auf die neue Welle der Karriereberatung auf TikTok und analysieren, ob sie eher Chance oder Risiko ist.

Die Faszination der Kurzvideos: Warum TikTok für Karriere-Tipps boomt

TikTok lebt von seiner schnellen, unterhaltsamen und leicht verdaulichen Art der Informationsvermittlung. Meine Kinder schauen sich den lieben langen Tag Videos dieser Art an und mir wird es Angst und Bange, was das für diese Generation bedeutet. TikTok-Videos sind kurz und knackig, was besonders bei jungen Menschen gut ankommt. Klar. Man hat ja auch schließlich keine Zeit mehr, sich länger als 5 Minuten, mit irgendetwas zu beschäftigen. Ich kann es noch halbwegs nachvollziehen, wenn die Videos von irgendwelchen obskuren Morgenroutinen von 12-jährigen Mädchen handeln, aber wenn es um Karriere-Tipps geht, werde ich regelmäßig unruhig.

Karriere-Coaching in 60 Sekunden? Klingt verlockend! Doch genau hier liegt das Problem: Bewerbungsprozesse sind komplex, und die Reduzierung auf einfache Tricks kann oft mehr schaden als nutzen.

Für alle zum Mitschreiben: Nichts, aber auch gar nichts Gutes entsteht innerhalb von einer Minute! Keine perfekten Wellen im Haar und erst recht kein Senkrechtstart ins Berufsleben!

Gefährliche Halbwahrheiten: Wenn falsche Tipps deine Karriere kosten

Nicht alle TikTok-Karriere-Coaches sind wirkliche Experten. Manche verbreiten noch nicht mal veraltete, sondern schlicht falsche Ratschläge. Beispiele sind:

  • "Schick deine Bewerbung immer per Sprachnachricht – das fällt auf!" – Klingt kreativ, ist aber absoluter Blödsinn! Bei den meisten Unternehmen sind Sprachnachrichten, wenn nicht gerade ein Kreativ-Start-up mit 5 Mitarbeitern, nicht zwingend zielführend bis absolut unpassend!

  • "Lügen im Lebenslauf? Kein Problem, die checken das sowieso nicht!" – Eine riskante Strategie, die schnell zum Bumerang werden kann. Dank meiner Erfahrung merke ich ganz schnell, wenn jemand flunkert. Ich ziehe intuitiv Verbindungen zwischen Arbeitszeugnissen und Lebensläufen. Mag sein, dass Zeugnisse nicht mehr so aussagekräftig sind, wie sie es früher einmal waren, da man ja mittlerweile jede Formulierung einklagen kann. Eine "3" im Arbeitszeugnis spiegelt ja schon fast den Griff in die Portokasse wider. Aber ich kann zumindest sehen, WAS ein Kandidat während seiner beruflichen Laufbahn gemacht hat. Ich kann auch erkennen, wie das Arbeitsverhältnis aufgelöst wurde. Durch Fristablauf? Im gegenseitigen Einvernehmen? Oder durch Arbeitnehmer- oder Arbeitgeberkündigung? Auch hier wird teilweise nicht die Wahrheit erzählt. Auch bei Abschlüssen wird regelmäßig gelogen. Es wird nicht klar im CV dargestellt, ob ein Abschluss vorhanden ist oder nicht. Ich kenne meine Pappenheimer und frage konkret nach. Hat man gelogen, ist das Gespräch gelaufen.

  • "Vermeide ein Bewerbungsanschreiben komplett – das liest eh keiner!" – Falsch! In vielen Branchen wird es nach wie vor erwartet. Ihr kennt meine Meinung zu einem guten Bewerbungsanschreiben. Es bietet auf einer DIN-A-4-Seite die Möglichkeit, das darzustellen, was nicht im Lebenslauf steht. Für beispielsweise Quereinsteiger essenziell! Liegt mir kein Bewerbungsanschreiben vor, neige ich dazu, davon auszugehen, dass sich der Kandidat keine Mühe gemacht hat, es sich um eine "Blindbewerbung" handelt und er den exakt gleichen Lebenslauf an 20 weitere Unternehmen versandt hat. Ziemlich unsexy!

Expertenmeinung: Was professionelle Karriere-Coaches dazu sagen

Ich und viele andere erfahrene HR-Profis und Bewerbungsexperten warnen davor, sich ausschließlich auf Social-Media-Tipps zu verlassen. Karriereberatung ist individuell. Was bei einem Bewerber funktioniert, kann für einen anderen kontraproduktiv sein. Ein professioneller Coach kann auf die persönlichen Stärken eingehen, während TikTok-Tipps oft nur allgemeine, oberflächliche Aussagen liefern.

Checkliste: So erkennst du seriöse Karriere-Tipps in sozialen Medien

Damit du nicht auf schlechte Ratschläge und Social-Media-Blender hereinfällst, solltest du folgende Punkte beachten:

  • Wer steckt hinter dem Tipp? Hat die Person echte Erfahrung im HR-Bereich oder ist es nur einer der unzähligen Blender? Bitte genau hinsehen!

  • Ist der Rat zu einfach, um wahr zu sein? Karrierewege sind komplex, einfache Lösungen oft fragwürdig. Auch hier, bitte genau hinsehen! Was für Susis und Bernds Karriere gut ist, muss es für Deine noch lange nicht sein

  • Gibt es Quellen oder Belege? Experten verweisen oft auf Studien oder Praxisbeispiele

  • Passt der Tipp zu deinem Berufsfeld? Nicht alle Branchen haben die gleichen Bewerbungsregeln

Fazit: Social Media als Karriereberater – Chance oder Risiko?

TikTok kann eine wertvolle Inspirationsquelle sein, wenn man den richtigen Accounts folgt und Inhalte kritisch hinterfragt. Doch eine pauschale Anwendung von Social-Media-Tipps ist riskant. Wer auf Nummer sicher gehen will, sollte sich an bewährte Bewerbungsstrategien halten oder sich professionelle Beratung holen. Denn am Ende entscheidet nicht ein viraler Hack über den Erfolg – sondern eine durchdachte und authentische Bewerbung.